Kleine Reflektion: Führe ich bereits eine freundschaftliche Beziehung mit mir selbst?

Zum Valentinstag 2017

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Ein Schlüssel, um glücklich zu leben, ist aus meiner Sicht, selbst gut zu sich zu sein, sich zu mögen und zu akzeptieren quasi eine Liebebeziehung mit sich selbst zu führen.

Vielen Menschen fällt es leichter, sich nach außen oder auf andere zu konzentrieren, weil es gesellschaftlich oft so gewünscht ist und vergessen dabei ihre eigenen Bedürfnisse.

 

Graffiti Fußgängerzone Rastatt
Graffiti Fußgängerzone Rastatt

 

Über dieses Thema, das sehr viel inneres Leid verursachen kann, sprechen die Besucherinnen und Besucher meiner Praxis häufig.

Durch eine Bestandsaufnahme finden sie dabei meist heraus, wie gut die eigene Beziehung zu sich selbst bereits angelegt ist und an welchen Stellen sie konkret wachsen möchten.

Es ist meine Aufgabe, meinen geschätzten Klientinnen und Klienten dazu Mut zu machen und gemeinsam bereits vorhandene Stärken aufzutun und zu nutzen.

Das ist gar nicht so leicht, weil Menschen oft dazu neigen, sich selbst abzutun oder zu unterschätzen.

Ich stelle in diesem Artikel die häufigsten Erscheinungen dar, die mir in meiner Arbeit mit und für Menschen bisher begegnet sind, die ich als gute Indikatoren dafür betrachte, dass die Freundschaft mit sich selbst noch intensiviert werden darf.

Der Klassiker: Ich kann nicht „Nein!“ sagen

„Kannst du die Klassenpflegschaft übernehmen? Backst du die Kuchen für den Verein? Übernimmst du die Schicht? Fährst du mich?“ Das kennen wir alle. Die Menschen um uns herum haben immer wieder Anliegen an uns und wie durch Zauberhand sind es schließlich wir, die stets den Retter aus tiefer Not geben.

Je selbstverständlicher der Dienst wird, um so weniger wird er respektiert. Dabei haben wir doch einst durch Nachahmen von Vorbildern oder durch eine situative Lernerfahrung erfahren, wenn wir nachgeben und uns lieb Kind machen, dass wir Liebe oder Anerkennung ernten.

Durch die Gewöhnung an unsere Dienste schleift sich die Beachtung oder die Dankbarkeit uns gegenüber ab und wir fühlen uns weniger wahrgenommen. Da wir aber erfahren haben, dass anderen Gutes zu tun doch zuvor Wertschätzung uns gegenüber erwirkt hat und wir jetzt jedoch mit dem gleichen Aufwand wie seinerzeit nicht den gleichen Effekt erzielen, legen wir ein Brikett drauf. Wir übernehmen noch mehr Dienste.

Es passiert das gleiche wie zuvor: ein starkes Ansteigen unserer Beliebtheitskurve und nach einer Gewöhnungsphase gehören unsere Leistungen wieder zum schnöden Inventar. Erst Euphorie und dann Banalität.

Es gibt Menschen, die so in eine Spirale des nicht aufhörenden Sichnochmehrbemühens hineingeraten. Sie tun dies allerdings meist unbewusst. Im extremen Fall ging solches Verhalten dem Ausbruch eines Burn-Outs voran.

Sich regelmäßig ans Ende der Schlage stellen

Die Termine der anderen gehen stets vor, dass andere glücklich sind, hat Priorität. Sobald die Bedürfnisse der Umwelt befriedigt wurden, wäre ja spätestens die Möglichkeit da, die eigenen Projekte ins Rollen zu bringen.

Doch es erscheint, als ob wir eine Einzugsermächtigung für unser ewiges Ja ohne Rückholmöglichkeit ausgestellt hätten.

Die Bedürfnisse der anderen überrollen uns und wir verwechseln sie mittlerweile sogar und halten sie für unsere eigenen. Als ob man in einer Art Trance wäre.

Eine gewisse Distanz der Sache gegenüber erscheint wie abgeschaltet.

Möchte man mit einer von dieser Trance betroffenen Person etwas ausmachen, rattert diese erst mal automatisch die Termine anderer runter und schlimmstensfalls kommt es zu gar keinem Treffen.

Sich nichts gönnen

Und falls man sich doch etwas gönnt oder „rausnimmt“, plagt hinterher ein erdrückend schlechtes Gewissen.

Für einen selbst ist das Billigste vom Billigsten gedacht und die schon leicht mitgenommene Winterjacke hält bestimmt noch 2 Saisons.

Für das Geld könnte man doch der Enkelin oder jemand anderem etwas kaufen. Da wäre es wirklich nötiger.

Dieses Verhalten hat übrigens nichts mit dem Inhalt des eigenen Geldbeutels zu tun, sondern mit der Überzeugung, ein egoistischer Mensch zu sein.

Sich selbst beschimpfen

Auch von sich selbst nur als „egoistischem Menschen“ zu sprechen, ist bereits eine Form der Selbstbeschimpfung.

Ich habe schon oft mitbekommen, wie Klientinnen und Klienten in meiner Praxis sich als „fett, hässlich, scheiße, fies, dumm, usw.“ titulierten.

Sie wollten mich keineswegs provozieren, sondern sprachen auf diese Art ganz selbstverständlich über sich. Sie hatten bereits die negative Rolle vollkommen angenommen.

Auch dies kann wieder die Folge von Sozialisierung durch andere oder aus Lernerfahrungen sein. Wir übernehmen die Bewertungen anderer als die eigenen und glauben fest an sie wie ans Credo.

Natürlich lasse ich in meiner Praxis, die ein geschützter Ort des positiven Erlebens ist, es nicht zu, dass mein Gegenüber sich weiterhin so selbst verletzt, sondern fange mein Gegenüber empathisch auf und stärke die Person.

Sich selbst gegenüber ungeduldig sein

Jahrelang quälen sich Menschen mit ihrem inneren Leiden herum bis sie schließlich den Mut haben, sich der Sache zu stellen.

Dann soll die Auflösung der Beschwerden allerdings am besten über Nacht stattfinden.

Im Hintergrund finden sich dabei Schuldgefühle und Selbstbezichtigungen, dass es überhaupt so weit kam. Und weil man sich für schuldig hält, hat man es ja auch schließlich nicht verdient, sich der Lösung nachhaltig zu widmen (man könnte ja wieder für einen Egoisten gehalten werden!), sondern muss wie ein Eilzug durchpreschen.

Menschen mit dieser Einstellung haben es zudem meist im Lauf ihres Lebens nicht gelernt, andere um Hilfe zu bitten, weil dies ja als Zeichen von Schwäche gedeutet werden könnte.

Schuld und Schamgefühle sind hier wie zwei nicht abschüttelbare Schatten.

(Übrigens sind oft Menschen, die an Essstörungen leiden parallel noch mit diesen unangenehmen Gefühlen belastet.)

Sich mit anderen vergleichen

Das ist wie ständig den Keller des eigenen Wohlbefindens noch tiefer zu graben. Andere sind hübscher, beliebter, schlanker, größer, klüger, erfolgreicher usw.

Dadurch liegt der Fokus mal wieder absolut außen. Wir setzen uns selbst in den Mangel und erkennen nur noch unsere Defizite.

Ein Lob oder ein Danke kann nur schwer angenommen werden und wird oft gleichzeitig von uns entkräftet: „Ach das Kleid ist aus dem Ausverkauf. Ich gehe nur zu so einem billigen Friseur. Jeder andere kann das auch.“, sind dann die Reaktionen.

Schließlich verdienen wir ja kein Lob, weil wir doch anscheinend nicht so klasse sind wie andere.

Nur zwischen Ego-Menschen und Altruisten unterscheiden

Meist wird schon im Rahmen der kindlichen Erziehung gelernt, dass an sich zu denken, „bäh“ ist und nur die, die sich aufopfern, gut sind. Die junge Psyche wird quasi „gespalten“.

Da Kinder ihren Erziehungsvorbildern (die übrigens als Kinder die gleiche Erziehung genossen) vorbehaltlos glauben und vertrauen, übernehmen sie dieses Weltbild.

In diesem existieren nur 2 Arten von Menschen, dazwischen gibt es nichts.

Wer diesem Weltbild glaubt, hat einen sehr hohen perfektionistischen Anspruch an sich selbst. Eigene Übertretungen ins Reich der Ego-Menschen werden sich selbst gegenüber gnadenlos geahndet . Die Selbstgeißelung und Unsicherheit gegenüber der eigenen Person hören nicht auf.

Eine kleine Schnellhilfe

Im Leben geht es nicht darum, alles perfekt zu machen und auch Menschen, die grundsätzlich

d´accord mit sich sind, haben Zeiten von Selbstzweifeln, mangelnder Selbstakzeptanz oder mangelnder Abgrenzung. Eine gesunde Psyche will immer wieder mal herausgefordert werden, um sich durch die gemachten Erfahrungen neu auszurichten.

Um mit sich selbst freundschaftlicher umzugehen, gibt es kein Patentrezept. Es ist stets eine individuelle schrittweise Entwicklung.

Allgemein kann ich folgendes mit auf den Weg geben:

  • Wer sich häufig in die Pflicht genommen fühlt bzw. nicht „Nein“ sagen kann, könnte ja mal folgendes versuchen: sobald jemand mit einem Anliegen auf Euch zukommt, nimm dir einfach ein oder zwei Tage Bedenkzeit. Vielleicht hast du jemanden Netten um dich, mit dem du die Sache erörtern kannst. Mache dabei ruhig eine Pro und Kontra-Liste handschriftlich.
  • Bei schlechtem Gewissen wegen deiner Absage: rekapituliere, ob dir schon mal abgesagt wurde und dass du es damals eben akzeptiert hattest und dies sehr wohl auch für dich funktionierte. Daher ist es sehr wahrscheinlich, dass andere Mitglieder der Spezies Mensch eine Absage ebenso verkraften.
  • Um sich ans Gönnen heranzutasten, kann es eine schöne Erfahrung sein, sich jeden Tag ohne Bedingung (!) oder Vorableistung einen kleinen Luxus zu gönnen. Das kann eine kleine Auszeit mit einer Tasse Tee auf der Couch mitten im Tagesablauf sein, eine schöne Zeitschrift, die du dir sonst nie leistest, weil sie etwas teurer ist oder ein kleiner Spaziergang, ein spontanes Telefonat mit jemandem, eine Fußbehandlung, ein Päckchen Kaugummi oder ….oder. Du wirst fündig und kannst lernen, immer weniger auf das schlechte Gewissen zu hören.
  • Erhältst du ein Lob oder ein Danke, dann nimm es einfach an und zeige deine Freude durch dein Lächeln. Mehr wird von dir nicht erwartet. Versuche es selbst auszuhalten, dich nicht zu rechtfertigen oder abzuwerten.
  • In Zeiten des Zweifelns begib dich in die Arme einer Person, die dir zugetan ist. Falls diese gerade nicht aufzutreiben ist, kannst du überlegen, was wohl ein echter guter Freund dir sagen würde und sprich mit dir als dieser gedanklich oder mündlich. Nimm die guten Botschaften mit in deinen Alltag.

Beim Anwenden dieser kleinen Übungen gilt, sie so gut auszuprobieren, wie es gerade geht. An manchen Tagen flutscht es, an anderen holpert es ein wenig. Das ist normal. Ich wünsche viel Freude beim Anwenden. Diese Übungen ersetzen natürlich keine Therapie oder den Gang zum Therapeuten oder Arzt.

Vielleicht hast du ein paar meiner Punkte an dir erkannt, vielleicht war die Lektüre für dich einfach eben ein anderer Einblick und regt zur Eigenreflektion an. Die gute Botschaft ist, dass einst gemachte für einen selbst weniger erquickliche Lernerfahrungen wieder umgelernt werden können.

Das Ziel dabei ist stets, sich selbst wieder wohler in Körper und Geist fühlen zu können und zwar nach eigenen Maßstäben.

Eine der größten Fähigkeiten, die wir Menschen in uns entwickeln können, ist eine freundschaftliche und liebevolle Haltung zu uns selbst aufzubauen, davon kann man nie genug haben.

Be your special Valentine! Und nicht nur am Valentinstag 🙂

In diesem Sinne: einen schönen Valentinstag!

lichst

Claudia Enneker

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