Heutzutage ist es Usus, sobald uns Menschen Probleme plagen, zuerst zu Ratgebern zu greifen und die Sache unter die Lupe zu nehmen. Die interessierten Leserinnen und Leser suchen beispielsweise nach Erkenntnis, einer Diagnose und Wegen aus dem Dilemma.
Der Markt boomt entsprechend und für Nachschub ist gesorgt. Hohe Auflagen ermöglichen oft den Druck als Taschenbuch zu einem Preis, den sich die meisten leisten können.
Mancher legt nach einer gewissen Weile das Werk wieder weg, weil es nicht die ersehnte Hilfe geboten hat und die Verwirrung dafür noch größer wurde. Wie konnte es denn dazu kommen?
Hier nun ein paar Anregungen und Erfahrungen aus meinem Praxisalltag:
Oft beginnen Betroffene anhand ihrer Symptome zunächst im Internet zu suchen und definieren ihr Leiden durch eine Selbstdiagnose. Dann wird ein themenspezifisches Werk gelesen und hinterher wissen die Leser alles über das Leidensbild und mögliche Folgen.
Sobald das Kind also einen Namen hat, fühlen sich viele Hilfesuchende erst mal erleichtert. Sie sind ja gar nicht „komisch“, sondern gehören sogar einer bestimmten Gruppe von Leidensgenossen an.
Es ist für viele Menschen einfach schön, sich als Gleicher unter Gleichen zu finden, sich nicht als Außenseiter oder komische Figur fühlen zu müssen, weil man ja schließlich kein Einzelfall ist.
Um bei solchen Problemen Selbsthilfeliteratur sinnvoll nutzen zu können, ist es hilfreich, die Begrenzungen von Eigendiagnose und Identifikation wieder hinter sich zu lassen.
Es geht ja in vielen Köpfen der Glaube um, dass die Diagnose an sich bereits die Lösung bergen muss.
Als praktizierende Therapeutin bin ich der Ansicht, dass viele Wege nach Rom führen.
Begrenzungen führen nicht aus dem Labyrinth heraus, sondern können es noch verstärken. Mancher fühlt Mutlosigkeit und sieht sich letztendlich doch als verdammt an, mit seinem Leiden leben zu müssen. Dabei versprach die Freude über die Selbstentdeckung der Diagnose doch zunächst so viele Möglichkeiten.
Wie kann man nun diagnostizierende Selbsthilfeliteratur nutzbringend umsetzen?
Eine Idee ist, die Diagnose oder das angesprochene Problem als Möglichkeit einfach nur in Betracht zu ziehen. Das Wissen über die Hintergründe könnte als Basis gesehen werden.
Empfehlenswert sind Werke, die Übungen und einige Techniken zur Selbsthilfe im Alltag mitgeben. Bei der Umsetzung ist Geduld wesentlich, denn Veränderung braucht Zeit. Schließlich ist das Leid auch erst mit der Zeit angewachsen.
Selbsthilfeliteratur kann Menschen parallel in der Zeit begleiten, die sie mit Warten auf den nächsten freien Termin bei einer psychotherapeutischen Praxis verbringen. Sie kann auf Anraten des Therapeuten die gemeinsame Arbeit wertvoll unterstützen.
Hilfreich ist, es sich bewusst zu machen, dass solche Werke ein allgemeines Dilemma erkunden und beschreiben. Es ist zwar ermutigend, positive Rezensionen zu lesen wie „Endlich meine Ess-Störung losgeworden“ oder „Die Übungen halfen mir, mein Selbstwertgefühl zu verbessern“ und der Werbung zu glauben „US-Bestseller. 100.000e begeisterter Leser bestätigen Mehrwert des Werkes!“.
Doch gerade bei Rezensionen (auch bei authentischen) ist zu beachten, dass die tatsächliche Ausgangslage oder Schwere des Leidens der rezensierenden Person unbekannt ist. Selbsthilfeliteratur ist eine zusätzliche Option, jedoch in den seltensten Fällen der alleinige Schlüssel zur Lösung.
Um ein Puzzle zu lösen, braucht es mehrere Teile!
Gerne werden Werke gelesen, in denen jemand seine ganz eigenen Weg aus der Misere gegangen ist und sich heute wieder wohlfühlt.
Dies spricht viele Menschen an und macht Mut, dass es schließlich doch einen Ausweg geben kann.
Zu beachten ist dabei, dass es sich um ganz individuelle Erfahrungen handelt, die möglicherweise nur zum Autor oder zu der Autorin passen.
Als Mutmacher sind solche Werke bestimmt gut geeignet.
Erzähle doch mal, welches Werk aus der Welt der Selbsthilfeliteratur Dich besonders angeregt oder beschäftigt hat.
Was würdest Du empfehlen? Ich bin neugierig auf Deinen Kommentar.
Meine kleine Auswahl an Literaturtipps findest Du übrigens HIER als pdf für Dich zum herunterladen.