Auf der Suche nach Normalität: Eine Herausforderung für Menschen mit Zwangserkrankungen

Als Therapeutin beschäftige ich mich seit längerem mit der Behandlung von Zwangserkrankungen, insbesondere von Zwangsgedanken. In diesem Blogartikel möchte ich mich daher diesem Thema widmen.

Um ein besseres Verständnis für das Mysterium der Zwänge zu vermitteln und Mut zu machen, lasse ich auch eine anonymisierte Klientin zu Wort kommen, die von ihren persönlichen Erfahrungen berichtet.

Ich hoffe, dass nicht nur Betroffene, sondern auch interessierte Menschen und vor allem Angehörige diesen Artikel lesen werden, da diese oft ratlos und unsicher sind, wie sie mit der Erkrankung umgehen sollen.

Vielleicht kann dieser Artikel die eine oder andere Ermutigung oder Hilfestellung bieten, um sich seiner Erkrankung zu stellen oder offener damit umzugehen

oder auch anderen Menschen zu zeigen, wie sich die Belastung anfühlt und damit natürliche Grenzen zu setzen, falls nötig.

Zwangserkrankungen: Vielleicht kann dieser Artikel die eine oder andere Ermutigung oder Hilfestellung bieten, um sich seiner Erkrankung zu stellen oder offener damit umzugehen

Aber legen wir jetzt erstmal los mit der Aussage von Xenia*, die erzählt, wie die Zwangserkrankung bei ihr anfing und wie sich dies für sie anfühlte.

Es fing damit an, so genau kann ich das ich das gar nicht mehr sagen, dass ich mir immer wieder über bestimmte Dinge oder Handlungen Gedanken gemacht habe.

Anfangs dachte ich , dass es normal ist, sich Gedanken zu machen und alles im Detail zu planen. Erst einmal hielt ich mein Verhalten für einen Hinweis, dass ich eben akurater oder genauer im Alltag werde.

Aber mit der Zeit wurden diese Gedanken immer intensiver und häufiger. Sie kamen, wann sie wollten. Teilweise sogar nachts. Der Aufruhr in meinem Kopf war unglaublich.

Ich wurde unsicher und zweifelte an mir. Ich fragte mich, ob ich etwas falsch gemacht habe und ob dies negative Auswirkungen auf andere, wie z.B. meine Familie haben könnte.

Die Gedanken waren so stark, dass ich immer die gleichen Handlungen wiederholt habe, um mich sicher zu fühlen.

Beispielsweise habe ich Türen abgeschlossen und wieder aufgeschlossen, nur um sicher zu sein, dass ich sie zuvor abgeschlossen hatte.

Ich verbrachte nach und nach immer mehr Zeit mit Putzen.

All dies kostete täglich Unsummen an Kraft.

Ich hatte keine Zeit mehr für mein Privatleben oder meinen persönlichen Interessen oder meinen Hobbys nachzugehen.

Zwar schaffte ich es, täglich meiner Arbeit und allen nötigsten Dingen meines Lebens nachzugehen, doch das Bewältigen der Zwänge kostete mich am allermeisten Zeit und Kraft.

Dazu musste ich all dies vor anderen verstecken und verbergen.

Es war mir so peinlich und oft glaubte ich, bereits verrückt geworden zu sein.

Ich fühlte mich unglücklich und traurig, hatte keine Freude mehr und machte mir Vorwürfe.

Ich sah, wie sinnlos all die Gedanken und Handlungen waren, doch ich kam nicht gegen sie an.

Kurzum: Das, was man Lebensqualität nennt, verschwand immer mehr.

Xenia*, Betroffene (Name geändert)

So lautet Xenias Schilderung und ähnlich kann die Schilderung eines anderen Menschen lauten, der an einer Zwangserkrankung leidet.

Erst mal ein paar allgemeine Worte zu Zwangserkrankungen

Zwangserkrankungen gehören zu den anerkannten psychischen Erkrankungen und sind keineswegs eine Marotte oder ein Mangel an Willenskraft. Die Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme, sowohl die ICD-10 als auch die ICD-11, unterscheidet zwischen Zwangshandlungen und Zwangsgedanken.

Laut ICD-10 und ICD-11 werden Zwangshandlungen als sich wiederholende Verhaltensmuster beschrieben, die aufgrund von Ängsten oder Sorgen durchgeführt werden, obwohl die Person weiß, dass sie irrational sind.

Diese Verhaltensmuster sollen dazu dienen, die Angst zu reduzieren oder zu kontrollieren, führen aber oft auch zu Beeinträchtigungen im täglichen Funktionieren und können zeitaufwändig sein.

Zwangsgedanken werden ebenfalls als sich wiederholende und sich aufdrängende Gedanken beschrieben, die eine Person nicht loswerden kann, obwohl sie weiß, dass sie irrational sind.

Diese Gedanken können Angst, Schuld oder Scham hervorrufen und können so belastend sein, dass eine betroffene Person Handlungen ausführt, um sie zu lindern.

Ich habe hier nachfolgend die Grunddefinition für Zwangserkrankungen laut ICD-10 eingefügt:

Wesentliche Kennzeichen sind wiederkehrende Zwangsgedanken und Zwangshandlungen. 

Zwangsgedanken sind Ideen, Vorstellungen oder Impulse, die den Patienten immer wieder stereotyp beschäftigen. 

Sie sind fast immer quälend, der Patient versucht häufig erfolglos, Widerstand zu leisten. 

Die Gedanken werden als zur eigenen Person gehörig erlebt, selbst wenn sie als unwillkürlich und häufig abstoßend empfunden werden.
 
Zwangshandlungen oder -rituale sind Stereotypien, die ständig wiederholt werden. 

Sie werden weder als angenehm empfunden, noch dienen sie dazu, an sich nützliche Aufgaben zu erfüllen. 

Der Patient erlebt sie oft als Vorbeugung gegen ein objektiv unwahrscheinliches Ereignis, das ihm Schaden bringen oder bei dem er selbst Unheil anrichten könnte.
 
Im Allgemeinen wird dieses Verhalten als sinnlos und ineffektiv erlebt, es wird immer wieder versucht, dagegen anzugehen. 

Angst ist meist ständig vorhanden. 
Werden Zwangshandlungen unterdrückt, verstärkt sich die Angst deutlich.

Quelle: https://www.dimdi.de/static/de/klassifikationen/icd/icd-10-gm/kode-suche/htmlgm2023/block-f40-f48.htm

Was über mögliche Ursachen und Auslöser bisher bekannt ist

Die Ursachen für Zwangserkrankungen sind komplex und multifaktoriell. Es gibt keine einzige Ursache, sondern viele Faktoren, die zu einer Zwangserkrankung beitragen können.

Die Ursachen für Zwangserkrankungen sind komplex und multifaktoriell. Es gibt keine einzige Ursache, sondern viele Faktoren, die zu einer Zwangserkrankung beitragen können. Hier sind einige mögliche Ursachen:

1. Genetische Faktoren: Mehrfach wurde beobachtet, dass Zwangserkrankungen in bestimmten Familien häufiger vorkommen, was möglicherweise auf eine genetische Komponente hinweist.

2. Neurobiologische Faktoren: Es gibt Beweise dafür, dass bestimmte Bereiche des Gehirns bei Menschen mit Zwangserkrankungen anders funktionieren als bei gesunden Menschen.

Viele Studien, die mittels funktioneller Magnetresonanztomographie (f MRT) durchgeführt wurden, haben gezeigt, dass bestimmte Gehirnregionen bei Menschen mit Zwangserkrankungen ungewöhnlich aktiv sind, während andere weniger aktiv sind. 1a

3. Umweltfaktoren: Stress und Trauma, insbesondere in der Kindheit, können dazu beitragen, dass jemand an einer Zwangserkrankung leidet. Aber auch Infektionen, ein erhöhter Glutamatspiegel im Gehirn 1, Schilddrüsenerkrankungen und Stoffwechselstörungen können beteiligt sein.

Einige Studien haben auch gezeigt dass psychosoziale Faktoren wie Kindheitstrauma, emotionaler Missbrauch und mangelnde soziale Unterstützung 2,3 eine Rolle bei der Entwicklung von Zwangserkrankungen spielen können.

4, Biochemische Faktoren: Störungen im chemischen Gleichgewicht im Gehirn insbesondere im Serotoninsystem, können zu Zwangserkrankungen beitragen.

5. Kognitiv verhaltenstherapeutische Faktoren: Einstellungen und Überzeugungen, die jemand über sich selbst, die Welt und andere Menschen hat, können eine Rolle bei der Entwicklung von Zwängen spielen. Mögliche Beispiele zu diesen Faktoren sind:

übermäßige Verantwortung: übermäßiges Empfinden von Verantwortung für die Sicherheit und das Wohl anderer Menschen, was zu Verhaltensweisen führen kann, die darauf abzielen, Schaden zu vermeiden oder sicherzustellen, dass alles in Ordnung ist.

Perfektionismus: Entwicklung starker Ängste, Fehler zu machen oder unvollständig zu sein, was Betroffene dazu veranlassen kann, bestimmte Handlungen wiederholt auszuführen, um sicherzustellen dass „alles perfekt“ ist.

Glaube an die Unvermeidbarkeit von negativen Ereignissen: Glaube, dass negative Ereignisse unvermeidbar sind und deshalb werden bestimmte Handlungen wiederholt ausgeführt, um sozusagen einen Teil der Zukunft (damit ist das Angst auslösende Ereignis gemeint) zu verhindern oder zu reduzieren.

Glaube an die Kontrolle durch Handlungen: Glaube, dass negative Ereignisse durch bestimmte Handlungen kontrolliert werden können, was zu weiteren Handlungen führen kann, die das Ziel haben, so Kontrolle auszuüben.

(s. auch weiter unten Gefangen in Gedanken: die versteckte Realität von Zwangsgedanken)

Die genannten Ursachen von Zwangserkrankungen wirken sich von Mensch zu Mensch verschieden aus.

Sie dienen als mögliche Erklärung oder vereinfacht gesagt:

Während ein Mensch, der diese Faktoren erlebt hat, nicht unbedingt von Zwangserkrankungen betroffen sein muss, kann sich bei einem anderen Menschen mit ähnlicher Erfahrung jedoch die Erkrankung entwickeln.

Wie viele Menschen sind in Deutschland von Zwangserkrankungen betroffen?

In Deutschland wird geschätzt, dass Zwangserkrankungen bei etwa 2 – 3 % der Bevölkerung vorkommen. 4

Diese Schätzung beruht auf Studien und Beobachtungen, was aufgrund der vielfältigen Symptome und Erscheinungsweisen der Störung schwierig sein kann.

Es ist jedoch bekannt, dass Zwangserkrankungen häufiger bei Frauen als bei Männern vorkommen und oft im Jugend- oder frühen Erwachsenenalter beginnen.

Die Dunkelziffer ist wohl um ein vielfaches höher.

Dennoch kann die Erkrankung auch schon in der Kindheit auftreten und bei Kindern und Jugendlichen ähnliche Symptome wie bei Erwachsenen zeigen.

Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung kann helfen, den Verlauf der Erkrankung zu verbessern und die Lebensqualität der betroffenen Kinder und Jugendlichen zu steigern.

Faktoren für eine hohe Dunkelziffer

In Deutschland wird geschätzt, dass Zwangserkrankungen bei etwa 2 - 3 % der Bevölkerung vorkommen. Es wird angenommen, dass viele Menschen mit Zwangserkrankungen entweder keine Kenntnis von ihrer Erkrankung haben oder sich nicht trauen, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, um sich vor Stigmatisierung zu schützen. 

Darüber hinaus kommt es auch vor, dass keine korrekte Diagnose gestellt wird. Unter diesen Umständen könnte es durchaus sein, dass es in Deinem Umfeld mehr Betroffene gibt, als Du vermutest.

Viele Menschen, die unter Zwangserkrankungen leiden, empfinden oft tiefe Schuld- und Schamgefühle aufgrund ihrer Erkrankung.

Diese emotionale Belastung erschwert die Einschätzung der Dunkelziffer der Erkrankung erheblich.

Es wird angenommen, dass viele Menschen mit Zwangserkrankungen entweder keine Kenntnis von ihrer Erkrankung haben oder sich nicht trauen, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, um sich vor Stigmatisierung zu schützen.

Darüber hinaus kommt es auch vor, dass keine korrekte Diagnose gestellt wird. Unter diesen Umständen könnte es durchaus sein, dass es in Deinem Umfeld mehr Betroffene gibt, als Du vermutest.

Die Angst vor Vorurteilen und Stigmatisierung ist ein häufiges Problem bei Menschen mit Zwangserkrankungen (und allen anderen, die an psychischen Erkrankungen leiden). Sie befürchten, nicht ernst genommen oder verurteilt zu werden.

Ein weiteres verbreitetes Vorurteil besteht darin, dass Zwangserkrankungen nur eine Ausrede für übertriebenes oder penibles Verhalten seien.

Dies ist jedoch ein Trugschluss, denn Zwangshandlungen und -gedanken sind ernsthafte Krankheiten, die das Leben der Betroffenen stark beeinträchtigen können und häufig mit anderen psychischen Störungen wie Depressionen und Angstzuständen einhergehen.

Für Betroffene ist es unmöglich, ihre Gedanken einfach zu ignorieren und ihr Verhalten zu ändern, da die Symptome u.a. durch eine Fehlfunktion im Gehirn ausgelöst werden wie oben bereits dargestellt..

Es erfordert professionelle Hilfe, um die Symptome zu kontrollieren.

Eine effektive Behandlung wird durch Vorurteile und das Belächeln der Erkrankung oft verhindert, was für die Betroffenen zusätzlich schädlich ist.

Xenia erzählt, wie ihr Umfeld sie teilweise wegen ihrer Erkrankung behandelte:

Mit dieser Erkrankung fühlte ich mich oft unsichtbar.

Es kam mir vor, als ob niemand wirklich versteht, was ich durchmache.

Ich wurde oft auf meine Handlungen oder Gedanken angesprochen, die für mich notwendig sind um das Gefühl von Anspannung zu reduzieren.

Doch für andere sahen sie sinnlos oder lächerlich aus. „Du hast Dir doch eben erst die Hände gewaschen!“ oder „Die Tür ist doch zu, siehst du das denn nicht?.“ oder „Deine Putzerei nervt. Es ist so ungemütlich mit dir.“

Das habe ich oft gehört.

Das kann ich nicht mal übel nehmen, denn ich denke ja selbst so

Manchmal hörte ich auch sarkastische Bemerkungen wie „Musst du wieder alles hundertmal machen?“ oder „Man kann sich auch selbst verrückt machen“.

Diese Worte verletzten mich sehr, denn sie zeigten dass meine Bemühungen, meine Zwangserkrankung zu bewältigen, nicht erkannt wurden.

Es fiel mir schwer, vor meiner Familie und anderen darüber zu sprechen, weil ich Angst hatte, noch mehr abgewertet zu werden.

Manchmal fühlte ich mich isoliert und alleine, weil niemand zu verstehen schien, was ich durchmache.

Meine Zwänge waren eine ernste Krankheit, die nicht so einfach überwunden werden konnte.

Diskriminierung und Stigmatisierung machten es mir nur noch schwieriger, mit der Krankheit umzugehen.

Nach all dem finde ich, wir alle sollten uns mehr bemühen, bei psychischen Erkrankungen verständnisvoll und unterstützend zu sein, anstatt zu diskriminieren.

xenia*, Betroffene (name geändert)

Xenias Ideen, um als Betroffene oder Betroffener mit diskriminierenden Bemerkungen hinsichtlich der eigenen Zwangserkrankung umzugehen

Ich habe mich dann endlich durchgerungen, offen und ehrlich mit meiner Familie, Freunden und Kollegen und meiner Chefin über die Erkrankung und ihre Auswirkungen auf das tägliche Leben zu sprechen.

Viele konnten mich dadurch besser verstehen und Vorurteile und Missverständnisse zu korrigieren.

Ich habe andere auf freundliche Art auf ihr Verhalten hingewiesen und um Verständnis gebeten.

Das war nicht immer leicht.

Ein Kollege hat sich sogar wegen seiner eigenen Zwangshandlungen unter vier Augen geoutet.

Das hat mir viel bedeutet.

Es hat mir geholfen, mir bewusst zu machen dass ich ja gar nicht alleine bin, dass ich nicht „durchgeknallt“ bin oder grundlos „übertreibe“. Und das wiederum hat meinen Mut gestärkt.

Ich habe begonnen, eine Liste meiner positiven Eigenschaften zu erstellen und sie immer wieder gelesen. Dies half mir, mehr Selbstbewusstsein und Stolz aufzubauen und mir einen seelischen Puffer zuzulegen, um gegen Vorurteile gewappnet zu sein.

Ich habe mich sozusagen immer wieder selbst gefeiert. Das war jedoch nicht immer leicht. Aber ich blieb dran.

Wenn eine mir nahestehende Person sich darüber wunderte, dass ich immer noch nicht über alles hinweg sei, habe ich argumentiert, dass ich mein ganz eigenes Tempo habe und lieber sorgfältig als hektisch voran gehe.

Es war eine echte Unterstützung, zusätzlich zu meinen einzelnen Therapiesitzungen auch mit meiner Familie an aufklärenden Sitzungen über die Zwangserkrankung teilnehmen zu können. Dadurch gab es im Alltag weniger Diskussionen.

Ich habe gelernt, schneller als früher anzukündigen, dass ich gerade nicht so kann und erhielt so kaum noch Bemerkungen im Stil von „Mach dich mal nicht so verrückt.“

Ich habe auch schon gesagt, dass rein theoretisch jeder einen Zwang bekommen könnte. Das kam irgendwie an.

xenia*, Betroffene (name geändert)

Gefangen in Gedanken: Die versteckte Realität von Zwangsgedanken

Es ist jedoch schwierig, Zwangsgedanken von normalen, alltäglichen Sorgen zu unterscheiden, die jeder von uns hat. Zwangsgedanken hingegen sind in der Regel nur dem Betroffenen bewusst und können nicht direkt sichtbar gemacht werden.

Im Gegensatz zu Zwangshandlungen bleiben Zwangsgedanken eher unentdeckt, da sie im Inneren des Gehirns stattfinden und somit schwer zu erkennen sind.

Zwangshandlungen, wie das Zählen von Gegenständen oder das Wiederholen bestimmter Tätigkeiten und Abfolgen, können von Außenstehenden beobachtet werden.

Zwangsgedanken hingegen sind in der Regel nur dem Betroffenen bewusst und können nicht direkt sichtbar gemacht werden.

Ein weiterer Grund, warum Zwangsgedanken oft unentdeckt bleiben, ist, dass viele Betroffene sich schämen oder sich unwohl fühlen, über ihre Gedanken zu sprechen.

Sie finden ihre Gedanken seien peinlich und vermeiden, sie anderen gegenüber zu erwähnen.

Zusätzlich herrscht häufig ein falsches Verständnis darüber, was Zwangsgedanken sind und wie sie sich zeigen.

Außenstehende denken, dass Zwangsgedanken nur in Form von Angst vor Krankheiten, Schmutz oder Unordnung, sexuellen Inhalten oder Gewalt auftreten.

Zwangsgedanken sind jedoch viel mehr. Sie können ein schwerwiegendes Problem sein, das das tägliche Leben beeinträchtigt.

Es ist jedoch schwierig, diese Gedanken von normalen, alltäglichen Sorgen zu unterscheiden, die jeder von uns hat.

Es handelt sich dabei um unerwünschte und wiederkehrende Gedanken, die oft als belastend und besorgniserregend empfunden werden.

Obwohl es viele Menschen gibt, die unter Zwangsgedanken leiden, bleiben sie oft unentdeckt und unerkannt.

Es gibt verschiedene Arten von Zwangsgedanken, darunter:

Zwangsgedanken über Kontamination: Betroffene befürchten z.B. Verunreinigung, Verseuchung, Erkrankung und Ansteckung.

Zwangsgedanken , andere zu verletzen oder ihnen schlechtes anzutun: Z.B. die Gedanken drehen sich darum, besonders den Nächsten etwas Schlimmes antun zu können oder etwas verursacht zu haben.

Zwangsgedanken zur Sexualität: z.B. unangenehme oder beängstigende sexuelle Gedanken oder Impulse.

Zwangsgedanken über Perfektion: z:B. bestimmte Handlungen wiederholt gedanklich zu überprüfen, um sicherzustellen, dass kein Fehler gemacht wurde oder Gedanken zu Ordnung, Makellosigkeit oder Symmetrie z.B. im Wohnbereich

Zwangsgedanken über Magie und Aberglauben: z.B., das Bedürfnis, Zahlen oder Zahlenmuster in bestimmter Weise zu verwenden oder zu vermeiden, abergläubische Befürchtungen jedweder Art wie z.B., Glaube an Verfluchungen oder an Glücks- und Pechzahlen.

Zwangsgedanken über Religion: z.B.: Gedanken, blasphemisch zu sein oder zu wenig moralisch.

Zwangsgedanken über jedwede Art von Zweifeln: Z.B. Zweifeln an den eigenen Fähigkeiten, Zweifeln, dass eine Krankheit je aufhören würde.

Zwangsgedanken über Kritik und Peinlichkeit: Z.B. über erfahrene oder mögliche Kritik an einem selbst oder über womögliche Peinlichkeit in einer Situation.

Zwangsgedanken mit extremem Fokus: z.B. auf die Sinne, das Ticken einer Uhr, wie jemand läuft, wie das Wetter ist, etwas erledigen zu müssen....

Zwangsgedanken zum Thema Beziehungen: Dies wird auch ROCD (Relationship Obsessive-Compulsive Disorder) genannt. Die Gedanken kreisen um Zweifel an der Partnerschaft und fehlende Gefühle: Z.B.: Liebe ich meinen Partner genug? Oder es werden Vergleiche mit anderen möglichen Partnern gemacht. Teilweise werden diese Dinge gebeichtet, was wiederum die Partnerschaft belasten kann.

Dies sind nur einige Beispiele. Zwangsgedanken können sehr unterschiedlich sein und jeder Mensch kann dabei individuelle Erfahrungen machen.

Der Grat zwischen „normal“ und „zwanghaft“ ist hierbei sehr schmal.
Zwangsgedanken können sich prinzipiell um jedweden Inhalt drehen. Zwangsgedanken können sehr unterschiedlich sein und jeder Mensch kann einzigartige Erfahrungen machen.
Der Grad zwischen "normal" und "zwanghaft" ist hierbei sehr schmal.

Ist die Sache mit der persönlichen Glückszahl eine lustige Macke oder ein Zwangsgedanke?

Ist es nicht vernünftig, sehr gut auf seine Gesundheit zu achten oder handelt es sich um Zwangsgedanken?

Bin ich nicht einfach besorgt um das Wohl meiner Nächsten oder ist es schon zwanghaftes Denken?

Ist jemand eben ein straff religiöser Mensch oder hat die Person schon religiöse Zwangsgedanken?

Bin ich in meiner Beziehung einfach unsicher oder habe ich schon ein ROCD (Zwangsgedanken zum Thema Beziehung)?

Zwangsgedanken können sich prinzipiell um jedweden Inhalt drehen.

Ein Zwang ist kein Tic und auch kein Wahn und kein Spleen

Ein Zwang ist kein Tic, ist kein Wahn und ist kein Spleen.

Umgangssprachlich werden Zwänge hin und wieder als Tic bezeichnet oder als Wahn:

„Der hat so einen Tic mit der Ordnung.“ oder „Die hat einen Putzwahn.“ hast Du womöglich auch schon gehört oder gesagt.

Irreführend war auch der verweisende Link zu einem Artikel in der Online-Ausgabe einer Zeitschrift:

„David Beckham hat Zwangsstörungen. So geht Victoria mit den Ticks des Ex-Fußballstars um.“ 5

Abgesehen davon ist es gut und wichtig, dass sich bekannte Persönlichkeiten zu ihren eigenen Belastungen bekennen und damit diese bekannter machen, die Schamgrenze senken und für mehr Akzeptanz werben.

Zwang oder Tic?

Die Unterscheidung zwischen Zwang und Tic übrigens gar nicht so kompliziert.

Beide sind Formen von Störungen, die durch wiederkehrende, unkontrollierbare Verhaltensweisen oder Bewegungen gekennzeichnet sind. Es gibt jedoch einige wichtige Unterschiede zwischen den beiden.

Ein Zwang ist ein wiederkehrender Gedanke oder Impuls, der dazu führt, dass der Betroffene eine bestimmte Handlung ausführt, um Angst oder Stress abzubauen. Zwänge können beispielsweise dazu führen, dass jemand bestimmte Dinge in einer bestimmten Reihenfolge tut oder sich immer wieder die Hände wäscht.

Ein Tic hingegen ist eine unwillkürliche, schnelle und kurze Bewegung oder ein Geräusch, das plötzlich und ohne erkennbaren Grund auftritt. Tics können beispielsweise Augenblinzeln, Kopfschütteln oder Kehllauten umfassen.

Anders formuliert: TicStörungen, zu denen auch das Tourette-Syndrom gehört, sind neuropsychiatrische Störungen, die durch das Vorhandensein mehrerer plötzlicher, schneller, wiederkehrender und nicht-rhythmischer Bewegungen (motorische Tics) und/oder Äußerungen (vokale/phonetische Tics) gekennzeichnet sind. 6

Zwänge und Tics können gemeinsam auftreten, aber sie sind nicht dasselbe. Zwänge sind eher mit Angst oder Stress verbunden und können dazu führen, dass der Betroffene große Mengen an Zeit damit verbringt, bestimmte Handlungen auszuführen. Tics hingegen sind in der Regel weniger belastend und können in bestimmten Situationen, wie beispielsweise während des Schlafens, verschwinden.

Wahn

Ein Wahn hingegen ist eine feste Überzeugung, die nicht auf der Realität basiert und trotz Gegenbeweisen oder Logik beibehalten wird. Ein Wahn kann beispielsweise die Überzeugung sein, verfolgt oder überwacht zu werden oder dass bestimmte Ereignisse oder Personen von einer Macht kontrolliert werden.

Während Zwänge normalerweise mit Angst oder Stress verbunden sind, sind Wahnvorstellungen oft Teil einer psychotischen Störung, wie Schizophrenie. Zwänge können z.B. dadurch behandelt werden, indem betroffene Personen lernen,

wie man mit ihnen umgeht, während Wahnvorstellungen in der Regel eine medikamentöse Behandlung erfordern.

Spleen

Zwangserkrankungen und Wahnerkrankungen werden immer wieder flapsig als „Spleen“ dargestellt. Ein Spleen ist eine sogenannte persönliche Marotte. Und davon hat übrigens jeder Mensch genug.

Zwei Beispiele für Spleens: Es gibt Menschen, die einen bestimmten Modestil bevorzugen wie Z.B. sich im Stil der 50er Jahre zu kleiden oder stets Krawatte oder Fliege zu tragen unabhängig vom Anlass (bekannt dafür war der Poltiker Karl Lauterbach, der einige Jahre stets mit Fliege und Anzug in der Öffentlichkeit präsent war).

Im Film „Harry & Sally“ hat Sally die Eigenart, wenn sie im Restaurant isst, sich die Soße zum Gericht stets auf einem Extra-Teller servieren zu lassen.

Die Grenzen zwischen "Spleen" und Zwangserkrankung können sehr dünn sein.
Zusammenfassend kann gesagt werden:

Während ein Spleen eine eigenartige oder ungewöhnliche Vorliebe darstellt, die nicht zwangsläufig mit psychischen Störungen verbunden ist,

handelt es sich bei einem Wahn um eine feste, unverrückbare Überzeugung, die aufgrund einer psychischen Erkrankung besteht und nicht mit der Realität übereinstimmt.

Ein Spleen ist eine eigenartige Vorliebe oder Gewohnheit, die eine Person freiwillig ausführt und die keinen starken Einfluss auf ihr tägliches Leben bzw. ihre Funktionsfähigkeit hat.

Ein Zwang hingegen bezieht sich auf unkontrollierbare, wiederkehrende Gedanken oder Handlungen, die als belastend empfunden werden und die Lebensqualität der betroffenen Person beeinträchtigen können.

Ein Spleen ist eine bewusste Handlung, die eine Person absichtlich ausführt und als angenehm oder befriedigend empfindet. Wenn sie dieser überdrüssig ist, kann sie einfach davon ablassen.

Ein Tic ist eine unwillkürliche und nicht kontrollierbare Reaktion des Körpers.

Doch wie schon weiter oben dargestellt, können die Grenzen zwischen „Spleen“ und Zwangserkrankung nach außen recht dünn sein.

Liste möglicher Anzeichen

Klappe den folgenden Textblock auf, falls Du selbst vermutest, an einer Zwangserkrankung zu leiden:

Ich hoffe, dass ich Dir einen hilfreichen Überblick zu Zwangsgedanken und Zwangshandlungen geben konnte.

Falls Du Interesse an einer Therapie mit mir hast, kontaktiere mich gerne über die Website meiner Praxis.

Folge dazu bitte diesem Link::

PRAXIS CLAUDIA ENNEKER

Welche Erfahrungen und Gedanken hast Du – ob persönlich oder als angehörige Person – bezüglich Zwangserkrankungen?

Ich freue mich auf Deinen Kommentar.

Herzliche Grüße

Claudia Enneker


1https://www.wissenschaft.de/gesundheit-medizin/zwangsstoerungen-hirnchemie-aus-dem-gleichgewicht/

1ahttps://freidok.uni-freiburg.de/fedora/objects/freidok:170031/datastreams/FILE1/content

2 https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0887618516303115

3 https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0165178120319454

4 https://de.statista.com/infografik/22218/haeufigste-psychische-erkrankungen-in-deutschland/

5 https://www.gala.de/stars/news/david-beckham–der-ex-kicker-spricht-ueber-seine-zwangsstoerungen-23061450.html

6 https://www.uniklinikum-dresden.de/de/das-klinikum/kliniken-polikliniken-institute/kjp/forschung/AG_Roessner/projekte/tic-stoerungen-tourette-syndrom

7 https://www.abendblatt.de/ratgeber/article230921950/Corona-Pandemie-verstaerkt-Zwaenge-was-sind-Anzeichen.html

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