Wie kontinuierliche Leserinnen und Leser meines Blogs wissen, ist der Valentinstag für mich jedes Jahr ein „Gedenktag“ zu Gunsten der eigenen Beziehung zu sich selbst.
Zur persönlichen Entwicklung gehört, sich selbst immer mehr anzunehmen und eine förderliche Balance zwischen sich selbst und der sozialen Umwelt herzustellen.
Meine Meinung ist:
➡ Du hast erst mal grundsätzlich das Recht, Dich nicht zu rechfertigen*
So oft beobachte ich das Spiel der unendlichen Rechtfertigerei im Alltag.
Dazu fange ich mit einem Spruch an, den ich mal aufgeschnappt habe:
Ja, wir können es nicht allen recht machen und Kritik bleibt eben nicht aus.
Ich wurde mal zwischen Tür und Angel gefragt, ob ich nichts zu tun hätte, mein Auto würde letztens so viel in der Tiefgarage stehen.
Diese Bemerkung fand ich zwar irgendwie seltsam, aber spontan antwortete ich freundlich, dass ich meist mit dem Fahrrad unterwegs sei.
Durch meine Eile bedingt war ich unachtsam, denn später dachte ich in einer ruhigen Minute, dass ich keinerlei Antwort oder Rechtfertigung schuldig war.
Also gut, solche Situationen sind für mich wunderbares Material für meine persönlichen Lehren, neudeutsch „Learnings“.
Ich kann nicht verhindern, dass andere Menschen sich über mich oder sonstwen Gedanken machen, aus welchen Gründen auch immer.
Und: ich muss mich nicht in deren Gedankenwelten einklinken.
Indem ich mich für mein abgeparktes Auto erst mal arglos rechtfertigt habe, bin ich in den Zug der Gedanken anderer eingestiegen.
Dabei war das gar nicht mein eigener Zug und letztendlich habe ich nie genauer erfahren, weshalb ich gefragt wurde.
Ich habe ja auch nicht weiter nachgefragt, denn schließlich wollte ich den Zug fremder Gedanken und Bewertungen baldigst wieder verlassen 😉
Vielleicht fragst Du Dich gerade:
Wir sind meistens erzogen, zu anderen freundlich und nett zu sein, deren Anliegen grundsätzlich zu respektieren.
Das ist ja nur der eine Teil der oben erwähnten Balance. Der andere betrifft uns selbst.
Das heißt: zu sich selbst freundlich und nett zu sein, die eigenen Anliegen grundsätzlich zu respektieren.
Bei aller Freundlichkeit – es wird stets Menschen geben, die Dich und mich bewerten und es ist so:
wir bewerten uns gegenseitig ständig.
Niemand stellt hierbei eine Ausnahme da.
Für die Gedanken und Bewertungen anderer sind weder Du noch ich verantwortlich.
Neulich erörterte ein jüngerer Klient, dass seine Mutter sich ständig rechtfertigen würde.
Wir wissen nicht, unter welchen Bedingungen ein Mensch aufwuchs, ob vielleicht in einem Lebensgefüge, wo es im Elternhaus, der Nachbarschaft oder sonstigem Kontext nötig war, sich wieder und wieder zu bestätigen, um nach außen stets eine ordentliche weiße Weste zu beweisen und „keine Schande“ über die Familie kommen zu lassen.
Evolutionär ist eine intakte Gemeinschaft für uns Menschen überlebenswichtig. Um sicher zu sein, dass eine Siedlung oder eine Sippe auch in Notzeiten verlässlich zusammenhält, war es wesentlich, die Loyalität zu den geltenden Bedingungen und Regeln immer und immer wieder zu bestätigen.
Heute rechtfertigen wir uns, um Harmonie aufrecht zu erhalten. Wir möchten dazu gehören und Ärger möglichst vermeiden. Der Vorgang des Rechtfertigens erfolgt zumeist ganz automatisch und hinterher fühlt man sich nicht wirklich „rehabilitiert“ und fasst sich sozusagen an den Kopf.
➡ Der Rechtfertigungsmodus als Lernerfahrung
Es heißt, dass diejenigen, die sich häufig rechtfertigen, zu wenig Selbstbewusstsein haben .
Zu wenig Selbstbewusstsein ist zwar eine mögliche Erklärung, aber nicht die einzige.
Machen Erziehende Kindern vor, dass es nötig ist, sich häufig rechtfertigen zu müssen, fehlt eventuell die Lernerfahrung, dass grundsätzliches Vertrauen ebenfalls eine verbindende und untermauernde Kraft ist.
Auch tiefe Überzeugungen manifestieren rechtfertigendes Verhalten. Z.B. „Wer unbehelligt bleiben möchte, benötigt Argumente.“ oder „Erst die anderen und dann ich.“ oder „Kritik und Zweifel müssen sofort aus dem Weg geräumt werden, damit der Ruf tadellos bleibt.“
Ich als Individuum entscheide erst mal selbst, wie ich meine eigene Antwort auf eine Frage an mich sehe.
Sehe ich darin eine Rechtfertigung oder schlicht eine Erklärung und halte ich eine Reaktion meinerseits darauf für tatsächlich nötig? Was ist meine Bewertung?
Fühlen wir uns im Rechtfertigungsmodus, haben wir
- selbst zuvor bewertet, dass die andere Seite uns nicht traut,
- haben wir vielleicht auch uns selbst bewertet, einen Fehler begangen zu haben.
Aber ob das so stimmt, wissen wir nicht.
Wir können alle keine fremden Gedanken lesen.
Wir fühlen uns jedoch im Minus, schlechter, wie der Angeklagte vor dem Richter.
Ein paar Zeilen zuvor schrieb ich, dass wir uns meistens automatisch in den Rechtfertigungsmodus begeben.
Im Automatismus angekommen, handeln wir nicht mehr selbstbestimmt, wir reagieren auf den anderen und passen uns mit unseren Antworten so an, bis wir den Eindruck haben, der andere sei beruhigt.
Wir steigen ins automatische Reagieren ein, um uns selbst besser zu fühlen und um anderen gute Gefühle und Gedanken über uns selbst zu ermöglichen.
Wir strampeln mit Argumenten, um uns über Wasser zu halten und das schlaucht entsprechend.
Oft denken wir nach solch einer Situation weiter über diese nach und schleppen schlechte Gefühle und Unsicherheit mit uns mit.
Dabei wollten wir doch bloß die schlechten Gefühle und Gedanken loswerden und haben uns selbst immer „fertiger gemacht“.
Meine Erfahrung ist jedoch die: gerade schlechte – auch diffuse – Gefühle auf „Vorwürfe“ anderer sind ein praktischer Reminder, um kurz anzuhalten und wieder in eine aktivere Rolle zu gelangen.
Ich schrieb zu Beginn des Artikels, dass ich …“die Bemerkung zwar irgendwie seltsam fand,…durch meine Eile bedingt unachtsam war…“.
Mit mehr Achtsamkeit hätte ich nachfragen können, was denn genau gemeint war.
Mit mehr Anwesenheit im Moment hätte ich auch um Nachsicht bitten können, dass ich es gerade sehr eilig habe.
Egal wie meine Reaktion gewesen wäre, mit mehr Achtsamkeit oder Anwesenheit im Moment hätte ich den Zug fremder Gedanken und Bewertungen nicht betreten müssen.
Nein, es geht nicht um „hätte, hätte, Fahrradkette“, sondern um meine persönliche Erfahrung und die Konsequenz, die ich aus ihr ziehe.
Ich muss auf das, was von außen sozusagen auf mich eingeworfen wird, nicht gleich eingehen.
Ich darf um Verlegung, Vertagung, Aufschub, Zurückhaltung, Akzeptanz, dass ich nicht antworten oder reagieren möchte usw., bitten .
Ich darf aber auch nachfragen, was gemeint sei, was gedacht würde, worum es ginge usw, wenn ich möchte.
Es ist zweifelsohne eine Sache der Übung, unangenehme Gefühle als Indikator zu nutzen, um aus dem Automatismus des Rechtfertigens auszusteigen.
*Mir ist klar, dass es Situationen im Leben gibt, in denen wir uns sinnvollerweise rechtfertigen müssen, z.B. im beruflichen Bereich.
Aber Du wirst von selbst erkennen, in welchen Lagen in Deinem Leben es Dir gut tut, das Rechtfertigen zu lassen.
➡ Achtsamkeit ist das Zauberwort.
Zu Beginn wird es noch ein wenig ungewohnt sein, Dein innerer Kritiker wird Dich ein wenig anpieksen.
Klar, er muss es tun, denn schließlich verlässt Du damit wieder ein Stück Deiner Komfortzone.
Es ist seine Art, Dich zu beschützen. (Wenn Du magst, danke dieser Instanz in Deinem Inneren dafür. Du entscheidest dies.)
Es wird Situationen geben, in denen es Dir wunderbar gelingt, den neuen Weg zu beschreiten und dann wird es auch solche geben, in denen es eben nicht läuft.
Es lohnt sich, diese als Erfahrungsquelle zu nutzen und sich dadurch selbst besser zu erkennen und sich dadurch selbst näher zu kommen.
Wie will ich es zukünftig in ähnlichen Situationen haben? Wie will ich reagieren ?
Ich habe für mich gelernt, wenn ich mich auf den Weg zu meiner Praxis mache, bin ich innerlich bereits in dieser und bei den Menschen, mit denen ich dort verabredet bin.
Das ist mir übrigens sehr wichtig.
Ich habe mit mir selbst ausgemacht, bei den Dingen, die die Außenwelt dann an mich heranträgt, erst mal innerlich tief zu atmen und kurz zu testen, wie es sich für mich anfühlt und dann entsprechend zu handeln.
Klappt es, freue ich mich und falls nicht, nutze ich die Erfahrung für die Zukunft:
➡ Was tun, wenn ich wirklich einmal Mist gebaut habe?
Angenommen, Du hast irgendetwas verbockt, bist zu spät gekommen, hast etwas vergessen oder falsch getan,
dann genügt eine ehrliche Entschuldigung.
Schlichte Worte wie: „Es tut mir sehr leid, dass ich mich verspätet habe.“ oder „Ich entschuldige mich hiermit offiziell, X vergessen zu haben.“ genügen vollkommen.
Du zeigst damit, dass Du die Verantwortung übernimmst und das Problem siehst.
Du wirst damit nicht vermeiden können, dass man Dich säuerlich ansieht oder die Stirn runzelt oder so etwas sagt wie: “ Ok, aber das kommt nicht mehr vor.“
Möglicherweise kitzelt Dich dann der Drang, wieder ins alte Rechtfertigungsmuster zu fallen.
Du darfst ihn dann wahrnehmen und liebevoll gehen lassen. Eventuell brauchst Du dafür ein wenig praktisches Üben.
In den meisten Fällen wird eine klare Entschuldigung jedoch wohlwollend und wertschätzend angenommen.
Was konntest Du aus meinem Impuls für Dich mitnehmen und eventuell in Deinem Alltag umsetzen ?
Schreib es gerne in den Kommentar.
Ich wünsche Dir nicht nur einen schönen Valentinstag, sondern
gute Gedanken und Gefühle jederzeit.
Deine
Valentinsbotin Claudia
♥♥♥ P.S.: Sofern Du rechts oben im Suchfeld den Begriff „Valentinstag“ eingibst, findest Du meine älteren Valentins-Artikel für eine immer bessere Beziehung mit Dir selbst ♥♥♥